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Vortrag von Dr. Josef Dollinger

Am 11. November besuchte Dr. Josef Dollinger, ORF-Auslandskorrespondent in China, das Gymnasium Werndlpark für einen Vortrag über seine Tätigkeit im "Land der Mitte".

Ni hao! Hallo!

„Wenn China erwacht, wird die Welt erzittern“, warnte vor rund 200 Jahren Napoleon Bonaparte einen britischen Diplomaten.
Heute ist das Reich der Mitte längst erwacht. Handel, Technologie und Patente – China ist dabei der mächtigen USA den Rang als weltweit führende Wirtschaftsmacht abzulaufen, manche meinen sogar, dies sei im Grunde schon passiert.

Wenn wir heute an China denken, assoziieren wir mit diesem Land Begriffe wie Kommunismus, Unterdrückung, Pressezensur, eine nicht vorhandene Meinungsfreiheit, Ausreiseverbote, Überwachung und vor unserem geistigen Auge tauchen Menschen auf, die sich mit Masken vor dem Gesicht vor dem nahezu alltäglich auftretenden Smog schützen und die das Stadtbild von Peking prägen.
Was aber wissen wir wirklich über dieses Land?
Am 11. November 2019 besuchte uns der Auslandskorrespondent des ORF in China, Dr. Josef Dollinger. In seinem zwei Unterrichtseinheiten andauernden Vortrag in der Aula , den etliche Schulklassen der Oberstufe besuchten, bestätigte Herr Dr. Dollinger zahlreiche der vorherrschenden Ansichten, gewährte uns aber auch viele neue Einblicke in das Alltagsleben des chinesischen Volkes, manches davon mutete beinahe etwas unheimlich und durchaus futuristisch an. Neben einem Video, das zeigte, wie der Arbeitstag eines Korrespondenten aussieht, präsentierte der Vortragende zahlreiche Fotos, die das Leben der Chinesen in all seinen Facetten widerspiegelten. Darüberhinaus hatten die Schülerinnen und Schüler auch die Möglichkeit Fragen an Herrn Dr. Dollinger zu stellen, eine Gelegenheit, die ausgiebig genutzt wurde.

Erkundigt man sich nach der Staatsform, heißt es von offizieller Seite, China sei eine Demokratie. Die Wahrheit sieht allerdings anders aus und so stehen regelmäßige Überwachung – und das, da wir es mit einer hochtechnologisierten Gesellschaft zu tun haben, natürlich mit Hilfe von Gesichtsscans – und ständige Polizeipräsenz an der Tagesordnung. Dies ist auch notwendig, um die Verwirklichung der zwei größten Traumen der chinesischen Staatsführung zu verhindern: Es sind dies einerseits das Ende des Kommunismus und andererseits der Beginn einer Entwicklung, die wir mit dem Arabischen Frühling gleichsetzen würden.

Beinahe schon gruselig wirkt das für jeden einzelnen Chinesen bestehende Punktesystem, das Social Credit System, mit dem die Bewohner Chinas flächendeckend bewertet werden. So werden zum Beispiel für besonders soziales und gemeinnütziges Verhalten Punkte hinzugefügt, hingegen verhält man sich im Sinnes des Staates unkorrekt, indem man etwa Umgang mit den falschen Personen pflegt, werden Punkte abgezogen. So kann der jeweilige Punktestand maßgeblichen Anteil bei der Vergabe von Jobs haben oder auch bei der Wohnungssuche. Um dabei stets den Überblick zu bewahren, existiert eine staatliche Stelle, bei welcher der jeweilige Punktestand vom Betroffenen erfragt werden kann.

Von großem Interesse war die Fragestellung, ob Umweltschutz in China eine Rolle spielt. Der Klimawandel etwa ist nur präsent, wenn er den Chinesen als Thema passend erscheint, um etwa dem Erzrivalen Trump eins auszuwischen. Der Name Greta Thunberg, bei uns in aller Munde, spielt absolut keine Rolle. So ist auch der Schulstreik der 16-jährigen Howey Ou, der einzigen „Fridays for Future“-Aktivistin auf dem chinesischen Festland, bereits nach einigen Tagen von den Behörden gestoppt worden. Die einzigen diesbezüglichen Errungenschaften sind, dass die Chinesen zurzeit nur mehr an zwei Tagen im Monat mit einer Maske im Gesicht herumlaufen, da die Smogbelastung zu enorm ist, und dass alle Mopeds elektrisch fahren.
Nicht ohne mein Handy! Ohne Handy läuft bei der chinesischen Bevölkerung nahezu gar nichts, so regeln sie beinahe ihr gesamtes Leben mit diesem Gerät. Die von den Chinesen so heiß geliebte App „Wechat“ wird beinahe von allen Bewohnern Chinas genutzt, ermöglicht es allerdings der Regierung Daten zu speichern und umfangreich weiterzuverwenden. Da beinahe die gesamten Einkäufe schon online getätigt werden, sind Geschäfte in China bereits vom Aussterben bedroht und es ist auch nur noch eine Frage der Zeit, bis die Nutzung von Bargeld der Vergangenheit angehört. Die eine oder andere Modeerscheinung schwappt natürlich auch von China nach Europa, so etwa der Single-Shopping-Day, der am 11. 11. in China zelebriert wird. Dabei wird den Menschen suggeriert, wenn sie schon ein unglückliches Single-Dasein fristen müssen, dann sollten sie zumindest Trost beim Shoppen mit günstigen Preisen finden. Das wahre Motiv liegt natürlich in den kapitalistischen Abgründen - Online- Riesen, wie etwa „Alibaba“, erzielen an diesem Tag Umsätze in Milliardenhöhe, und heuer sind Europas Online-Giganten auf diesen Zug aufgesprungen und haben die Kunden mit Billig-Preisen gelockt.

Dass für Chinesen geradezu alles möglich ist, zeigt der Umstand, dass sie im Jahr 2022 bei der Ausrichtung der Wintersport-Olympiade in und rund um Peking diese ausschließlich mit Kunstschnee durchführen werden. Dafür ist Peking weltweit die erste Stadt, die neben einer Sommer-Olympiade im Jahr 2008 auch eine Winter-Olympiade veranstalten wird.

Noch eine Eigenheit der Chinesen, von welcher uns Herr Dr. Dollinger berichtet hat, hat uns ein Schmunzeln entlockt – einmal am Tag braucht die Chinesin / der Chinese etwas Warmes zu essen – und das muss just exakt um 12 Uhr mittags sein. Man kann sich in etwa vorstellen, was da los ist, wenn rund 1,4 Milliarden Menschen um die gleiche Zeit zum Mittagessen strömen.

Wie sich die boomende Wirtschaftsmacht China weiter entwickeln und verhalten wird, und wie sich dies auf die Welt, auf Europa, insbesondere aber auch auf unser Land auswirken wird, wird uns wohl in den kommenden Jahren in Atem halten.

Vielleicht sollte sich Staatspräsident Xi Jinping die Worte des großen chinesischen Philosophen Konfuzius zu Herzen nehmen: „Die höchste Stufe menschlicher Bildung ist die vollkommene Ausgeglichenheit der Seele und der maßvolle Lebenswandel.“

Wir danken Herrn Dr. Josef Dollinger dafür, dass er mit seinen Ausführungen unseren Schülerinnen und Schülern einen vielfältigen Einblick in das breite Spektrum des chinesischen Alltagslebens geboten hat. Ein besonderer Dank ergeht an Frau Mag. Simone Gergelyfi, die diese Veranstaltung in relativ kurzer Zeit organisiert und koordiniert hat. Im anschließenden Unterricht mündete das Gehörte noch vielfach in durchaus sehr kritisch geführten Diskussionen.